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[Kolloquium] ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Meta Niederkorn (Wien): Die Mystik im spätmittelalterlichen Reform-Diskurs: Professoren (Universität Wien), Kartäuser (Gaming und Aggsbach) und Benediktiner (Melk) sammeln, verfassen und diskutieren
27. Juni 2019, 16:00 - 18:00
Abstract
Briefe aus dem Mittelalter an uns – so könnte man es beinahe formulieren – , sind jene Briefe, die Mönche verschiedener Klöster und verschiedener Orden einander schreiben. Denn sie verraten uns häufig Details aus der Ordnung des monastischen Lebens und – was in unserem Kontext besonders interessiert – sehr oft, wie man über verschiedene Themen denkt. Dies reicht von Diskursen über (kirchen-) politische Entwicklungen, über Fragen zur Disziplin bis hin zu Diskussionen über Lehr- und Lesetexte. Mit dem ausgehenden 14. Jahrhundert sind Mönche vermehrt auch an den Universitäten zu finden. Besonders intensiv wird die Verbindung zur Universität (Wien) durch die Melker Reform. Dadurch wird der Kreis der Briefpartner erweitert; es tauschen nunmehr (graduierte) Mönche und Professoren, die nicht selten die Lehrer waren, Briefe aus. Hier werden oft Lektüreempfehlungen ausgesprochen und natürlich auch aktuell wichtige Fragestellungen (etwa auch Rechtsfragen im Kontext der Grundherrschaft, etc…) und neue Themen der Wissenschaft (Astronomie, Medizin) und Künste (Musik und Malerei) diskutiert.
Die Diskussion der theologia mystica wird von Professoren und von gelehrten Mönchen gleichermaßen intensiv geführt; die Diskussion verdichtet sich in dem Maße, in dem die Beteiligten annährend identische Ausbildungen hinter sich haben. Natürlich wird aber gerade hier die „Schule“ sichtbar, wenngleich diese nicht automatisch zu denselben Schlüssen im Hinblick auf die theologia mystica führt. Vinzenz von Aggsbach (Kartause Aggsbach), Marquardus Sprenger (Weltpriester in München), Bernhard von Waging (Tegernsee), Johannes Keck (Tegernsee), Konrad von Geisenfeld (Melk, Tegernsee) Nikolaus Kempf (Kartause Gaming), Johannes Schlitpacher (Melk) stehen hier in besonders intensivem Kontakt, den es unter anderem auch vor allem im Hinblick auf allfällige gemeinsame Lehrer (an der Universität Wien) zu beleuchten gilt.
In der Korrespondenz werden nicht nur Ideen diskutiert, auch wird darin der Austausch von zu rezipierenden Texten, die über die besonders intensiv diskutierten Texte des Dionysius Areopagita, Jean Gerson und Nicolaus Cusanus, – die geradezu Klassiker bilden – hinausgehen, ersichtlich. Stellungnahmen und Antworten zu diesen erfolgen oft sehr rasch. Mitunter schaltet sich der Prior der Kartause Aggsbach (Thomas Pappler) ein und ersucht Johannes Schlitpacher in der intensivsten Phase des Meinungsaustausches zur theologia mystica darum, an Vinzenz ab nun nicht mehr als einen Brief pro Tage zu senden. Zumal diese Briefe nicht nur oft schwer lesbar seien, sondern auch unglaublich inhaltsreich.
Die Korrespondenz spiegelt aber auch, dass Abschriften von Texten erbeten, zugesagt; Empfänger vertröstet werden …
Die aus den Briefen ablesbaren Strategien des Text-Transfers und die Benennung einzelner „Schriftstücke“ ist hier ebenso interessant, wie die Strategien der Verwaltung der Texte. In der Korrespondenz werden etwa Handschriften, wie in oft auch in den Kartäuser-Katalogen, durch Angaben zur Größe (und Umfang), Qualität der Schrift und des Textes, wie auch durch Angaben zum Bucheinband charakterisiert, aber auch Bücher konkret mit Signaturen genannt.
Vor diesem Hintergrund sollen die Bibliothekskataloge von Aggsbach und Melk (Grundstock: 1480/1483) schließlich die aus der Korrespondenz gewonnen Einblicke zur Verwaltung dieser Texte verifizieren bzw. modifizieren.
In jedem Fall lässt sich der Reichtum der Bibliotheken an Texten, die aus dem hochaktuellen Diskurs zur theologia mystica stammen, ablesen.